„Es schwimmt eine Leiche im Teich.
Ich hab mich gefragt,
warum niemand was macht.“ (FURT –die Leiche)

 

Hallo meine lieben Freunde,

heute war (ganz anders als den Rest der Woche) ein sehr ruhiger und nachdenklicher Tag. Meine Volontärkollegen und ich haben die sogenannten Killing Fields und das Tuol Sleng Genozid Museum (S-21) besucht. Es ist schwer zu verstehen was dort passiert ist und vor allem wieso. Ich denke, dass niemand das verstehen kann und wird. Ich weiß jetzt nicht inwiefern ihr über die Geschichte Kambodschas Bescheid wisst. Mein Wissen ist zugegebenermaßen nicht sonderlich groß, ich kann versuchen euch mit einer kleinen Einführung weiter zu helfen. Wenn jemand mehr Bescheid weiß oder Fehler findet, dann immer rein damit in die Kommentare!

Einführung

Also zwischen 1975–1979 regierte ein Diktator namens Pol Pot in Kambodscha. Er baute eine Organisation mit dem Namen „Angkar“ (bedeutet übersetzt auch „Organisation“) auf, diese aus ihm selbst, den Kommunistische Partei Kambodschas und den roten Khmer bestand. Die roten Khmer war eine Armee. Diese Soldaten waren meistens unerfahrene und junge Männer vom Lande. Es wurden sogar schon Jungen im Alter von 17 Jahren aufgenommen. Angkar vertrat einen extrem sozialistischen Gedanken. Dieser wurde jedoch stark von Pol Pots Paranoia beeinflusst und hatte letztendlich immer weniger mit dem herkömmlichen Sozialismus zu tun. Pol Pot war der Meinung, dass alle „neuen Leute“ sterben mussten, da das Land nur den „alten Leuten“ gehöre. Mit den „neuen Leuten“ meinte er alle Menschen, die in den Städten wohnten und auch die, die auf irgendeine Weise gebildet waren. Zu den gebildeten Menschen gehörten jedoch sogar schon Brillenträger. Die „alten Leute“ oder auch „Helden“ wiederum waren einfache Bauer, die auf dem Lande lebten und aus denen dann u.a. die roten Khmer gebildet wurden. Um seinen Plan in die Tat umzusetzen wurden sehr viele der „neuen Leute“ in großen LKW’s von den roten Khmer abgeholt und u.a. in Arbeitslager gebracht. Damit die Gefangenen nicht entfliehen konnten, wurden ihnen die Arme auf dem Rücken gefesselt und die Augen verbunden. Es waren auch immer mehrere Soldaten in einem LKW, die darauf achteten, dass niemand absprang und sie versuchten sie ruhig zu halten, indem sie ihnen erzählten, dass sie in neue Wohnungen gebracht werden und bessere Arbeit bekommen. Nichts davon war wahr, was die Opfer sehr schnell heraus fanden. In den Arbeitslagern starben schon sehr viele der Leute aufgrund von Mangelernährung, extremer körperlicher Belastung und Krankheiten. Wer nicht dort starb wurde zu den „Killing Fields“ oder dem Gefängnis S-21 gebracht, das mittlerweile das Tuol Sleng Genozid Museum ist.

The Killing Fields

Abgesehen von uns sind viele Touristen an diesem Platz interessiert. Wir haben zu Beginn einen Audioguide bekommen und sind dann eine Runde über den Platz gelaufen. Was einem gleich am Anfang sofort ins Auge fällt ist ein großer und von außen sehr schöner Stupa. Das friedliche Bild trügt, denn er ist randvoll mit Knochen. In den 7 Etagen liegen hauptsächlich Totenköpfe. Sie starren einen dann mit den leeren Augenhöhlen an und man kann erfahren auf welche Art und Weise sie gestorben sind. Das ist jedoch eigentlich die letzte Station, wir sind zunächst zur ersten Station gelaufen, die aus einem Schild besteht. Früher war dort der Parkplatz für die LKW’s, die neue Opfer gebracht haben. Anfangs kamen 2-3 LKW’s pro Monat und später sogar alle 3 Wochen. Jeder LKW brachte 20-30 Menschen. Diese waren gefesselt, hatten verbundene Augen und Todesangst. Anfangs wurden ihre Namen aufgeschrieben, sie wurden entkleidet und dann sofort getötet und in riesige Massengräber gestoßen. Das klingt noch nicht mal halb so brutal, wie es letztendlich war. Munition und Schusswaffen waren zu der damals zu teuer, also wurden diese Menschen mit Eisenstangen, Hacken, Äxten, Messern und Macheten abgeschlachtet. Es gibt auch einen Palmenbaum in der Nähe, deren Rinde ist so scharf und hart, so dass man Dolche daraus herstellte. Mit denen wurde den Opfern die Kehle durch geschnitten und sie erstickten langsam und leise an ihrem eigenen Blut.

Es wurden immer mehr Menschen. Es waren dann zu viele Menschen und man konnte sie nicht alle sofort töten, also wurden sie in ein winziges Gefängnis mit hunderten von anderen Opfern gepfercht. Dort mussten sie teilweise tagelang ausharren ohne genau zu wissen was mit ihnen geschehen würde. Man konnte auf dem ganzen Gelände laute Propagandamusik aus mehreren Lautsprechern gleichzeitig plärren hören. Diese waren an verschiedenen Bäumen aufgehängt und dienten hauptsächlich dem Übertönen der Schreie. Trotz der Musik konnten die Gefangenen sicherlich die Schreie der anderen Opfer hören. Ihnen muss also klar gewesen sein, was sie bald erwarten würde. Es wurden später bis zu 300 Menschen AM TAG getötet. Einer nach dem anderen und das ohne mit der Wimper zu zucken.So ganz ohne Wimpernzucken scheint es nicht abgelaufen zu sein, da es ebenfalls ein Massengrab von Soldaten gibt, die sich widersetzt haben. Es wurden dort 166 Leichen ohne Kopf gefunden. Ihnen wurde der Kopf abgeschlagen, damit die anderen Soldaten abgeschreckt wurden. Problematisch war jedoch, dass Pol Pots Paranoia immer schlimmer wurden und er hinter jedem einen Verräter oder Feind sah. Einer seiner Wahlsprüche war: „Lieber aus Versehen einen Unschuldigen töten, als aus Versehen einen Verräter verschonen“.

Das nächste Schild zeigt ein Bild von einem ehemaligen Lagerraum. Hier wurden Chemikalien gelagert, die den Verwesungsgeruch überdecken sollten. Sie wurden in die Massengräber geschüttet. Es war öfter der Fall, dass die Menschen noch ein wenig lebten, wenn sie auf den Berg von Toten in die Grube gestoßen wurden. Die Chemikalien gaben ihnen dann noch den Rest und sie wurden ein Teil des Leichenbergs.

Man läuft dann weiter an kommt an einer eigentlich schönen, etwas hügeligen Wiese und einem See vorbei. Diese Landschaft und das sonnige Wetter passten eigentlich ganz gut zu einem schönen Spaziergang. Das ändert sich dann aber ganz schnell, wenn man erfährt, dass in dem erwähnten See heute noch ca. 40 Leichen liegen und diese Hügel weitere Massengräber sind. Der Name MASSENgrab ist eigentlich sogar noch untertrieben. In EINEM der Gräber liegen die Überreste von 450 Menschen. Die Leichen werden nicht aktiv ausgegraben, doch aufgrund von Bodenveränderungen werden heute noch Knochen und Klamotten ans Tageslicht gebracht. Diese werden dann eingesammelt und adäquat gelagert. Es scheint beinahe so, als würden die Toten nicht wollen, dass man sie vergisst.

Das für mich persönlich Schlimmste war ein bestimmtes Massengrab. Dort liegen mehr als 100 Leichen. Das besondere ist das es sich u.a. um Frauen handelt. Hier in Kambodscha ist es den Frauen sehr wichtig, nicht sexuell aufreizend zu wirken, z.B. muss auch ich beim Unterrichten immer Schultern und auch Knie bedeckt haben. In diesem Grab hat man jedoch so gut wie keine Klamotten gefunden, d.h. die Frauen wurden vor ihrem Tod entkleidet. Damit wollte man sie schlicht demütigen und es wurden auch sehr viele Frauen vergewaltigt. Bevor die Frauen dann den erlösenden Tod fanden, durften sie noch zusehen, wie ihre Kinder abgeschlachtet wurden. Direkt neben dem Grab ist ein großer Baum. Die Soldaten schlugen die Köpfe der Kinder so lange gegen den Baum, bis diese tot waren. Man hatte Haare, Blut und Gehirnreste an dem Baum gefunden.

Die Soldaten waren selbst noch Kinder, im Alter von 17 Jahren. Als ich das erfuhr, dachte ich an all‘ die Kinder, die ich in den letzten Monaten in Vietnam kennen gelernt habe. Ich habe schon Hoa, Tuâ’n Anh und auch Giang weinen sehen und es bricht einem jedes Mal ein bisschen das Herz. Genauso ging es auch den Österreicherinnen, Mr.Vy und den anderen Volontäre. Wir haben dann immer alles Mögliche versucht, um sie zu trösten, weil wir es selbst nicht aushielten sie traurig zu sehen. Das war jedoch nur simples weinen, kein schmerzerfülltes Schreien. Hoffentlich wird das auch nie jemand zu hören bekommen. Wie das klingt möchte ich mir auch ehrlich gesagt nicht einmal mehr vorstellen. Natürlich dachte ich auch an die Kinder, die ich jetzt erst neu in Kambodscha kennen gelernt habe. Ich dachte an die lachenden Gesichter und mir wurde schlecht. Man kann so etwas nicht begreifen und man möchte so schnell wie möglich so weit weg wie möglich. Wir sind dann auch weiter, allerdings war unser nächstes Ziel Tuol Sleng Genozid Museum, das half also nicht sonderlich weiter.

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