„Ich bin reich.
Ich bin reich (so furchtbar reich).“ (die ärzte – ich bin reich)

 

Hallo meine lieben Freunde,

nun sind schon ganze 2 Monate um und das Jahr 2015 auch. Wenn ich schreiben würde, dass es während meiner Zeit in Vietnam schlechte und gute Tage gegeben hat, dann würde das nicht ganz stimmen. Jeder Tag hatte etwas Gutes und jeder auch etwas Schlechtes. Glücklicherweise überwiegte meistens das Erstere. Trotzdem möchte ich mich in diesem Beitrag eher dem Letzeren widmen.

Nach unserer Reise in den Norden und unserer Zeit in Ha Long ist mir der Unterschied zwischen Arm und Reich noch viel deutlicher vor Augen, als jemals zuvor. In Hai Du’o’ng selbst gibt es keinen so großen Unterschied, deshalb habe ich darüber noch gar nicht so nachgedacht. Während unserer Reise in den Norden haben wir jedoch auch Leute getroffen, die echt wenig besitzen und trotzdem irgendwie damit auskommen müssen. Diese Menschen leben in selbst gezimmerten Holzhüttchen, die meistens nur aus einem Zimmer bestehen und müssen den ganzen Tag hart arbeiten, um zu überleben. Wenn man dann dort in so einer Holzhütte auf einer Bank sitzt und Tee angeboten bekommt wird einem ganz anders. Mir selbst wurde dann bewusst wie unglaublich reich ich doch im Vergleich zu diesen Menschen bin. Ob ich dadurch glücklicher bin ist schwer zu haben, da man Glück ja sehr unterschiedlich erfahren und definieren kann. Ich habe mir auch überlegt, was passieren würde, wen ich mit einer dieser Personen für einen Tag tauschen würde. Ich selbst würde wahrscheinlich an der harten Arbeit und den schlechten Bedingungen zu Grunde gehen und den Rücktausch gar nicht mehr abwarten können. Außerdem hätte ich ein unglaublich schlechtes Gewissen, das ich ja für meinen Wohlstand im Grunde nur eins gemacht habe – ich bin im richtigen Land in der richtigen Familie geboren und weiter nichts. Wie die andere Person reagieren würde kann ich mir nicht vorstellen. Sie würde wahrscheinlich gar nicht wissen, was sie mit ihrer freien Zeit anfangen soll.

Was mich immer wieder überrascht ist wie die Menschen mit ihrer Armut fertig werden. Niemand sitzt deprimiert rum, im Gegenteil, man sieht dauernd Menschen bei der Arbeit und die Hoffnung den eigenen Lebensstandard zu verbessern geht nie verloren. Leider nutzen das viele Menschen aus. Oft wird den Leuten eine Menge Touristen und damit auch ein besseres Einkommen versprochen, wofür man aber erst ein Mal investieren muss. Dann werden große Bauprojekte, wie z.B. ein Hotel, gestartet, die selten ganz beendet werden, da der vermeintliche Lebensverbesserer im Grunde nur seine eigenen Taschen füllen wollte und dann von der Bildfläche verschwindet. Dass dabei sehr viele Familien finanziell zu Grunde gehen interessiert ihn nicht. Wieso auch? Diese Menschen sind zu arm, um sich zu wehren.

Es scheint einem auch immer etwas unverständlich wie Arm und Reich so dicht nebeneinander sein kann. Es ist nicht unbedingt so, dass dort die Reichen und dort die Armen leben. Z.B. Viele reichere Vietnamesen haben ein Haus auf dem Land draußen, in einem ärmeren Gebiet, um dort an den Wochenenden zu relaxen. Ich verstehe jedoch nicht ganz, wie man sich erholen kann, wenn um einen herum alle Menschen schuften, um wenigstens nur ein Dach über dem Kopf zu haben und etwas zu essen. Das ist aber nicht der einzige Zusammenstoß von Arm und Reich. Als wir in dem Schmiededorf waren, konnte man am Straßenrand auch Süßkartoffeln kaufen. Genau das haben wir getan und mir fiel dann der große Laptop auf, der auf einem Stuhl neben dem Korb mit Süßkartoffeln stand. Wie passt das jetzt zusammen? Ein kleiner Stand an einer Straße und ein Laptop? Die Brücke dazwischen sind Schulden. Auch die ärmeren Vietnamesen wollen mit der neusten Technik mithalten und es ist nicht selten der Fall, dass man sich für das neuste Smartphone hoch verschuldet. Eine für mich ebenfalls befremdliche Sache sind die großen Glastüren. Bei dem meisten Vietnamesen kann man direkt in das Wohnzimmer sehen, da ist nichts mit Privatsphäre. Ich habe daraufhin Jürgen angesprochen und er hat mir erklärt, dass die großen Glastüren da sein müssen, da der Nachbar ansonsten ja nicht den neuen Fernseher sieht, den man sich (wahrscheinlich mit geliehenem Geld) gekauft hat. An bestimmen Feiertagen, so wie dem immer näher rückenden Tết-Fest, ist das Verschulden für Statussymbole am schlimmsten. Jeder möchte da mithalten, aber nur wenigen gelingt es.

Dieser große Graben zwischen Arm und Reich ist nicht nur in Vietnam zu sehen, sondern so gut wie überall auf der Welt, hier wurde ich aufs neuste damit konfrontiert und, dass um einiges stärker als in Deutschland. Leider sitze ich dann nur in meinem gut beheizten Haus, in einem weichen Bett, mit genug Verpflegung, ohne harte Arbeit uns schüttele nur den Kopf. Eine Lösung fällt mir nicht ein und damit bin ich nicht die Einzige. Wie das dann in der Zukunft aussieht möchte ich mir dann lieber nicht vorstellen.

Ich war dann doch ein wenig froh wieder in Hai Du’o’ng zu sein, denn da sind die Kinder, die mich dann immer wieder aufheitern können. Wenn man Giang tanzen sieht, Ngân lachen hört, Phu’o’ng begeistert „Hello teacher“ ruft oder So’n einen fast mit einem der Fahrgeräte umfährt, vergisst man seine Sorgen und wird direkt ins Geschehen mit einbezogen. Was würde ich nur ohne die Kinder machen?