„Ich bin reich.
Ich bin reich (so furchtbar reich).“ (die ärzte – ich bin reich)

 

Hallo meine lieben Freunde,

es gibt eine Sache, die alle Vietnamesen gleich macht. Alle sind nämlich reich an einer bestimmen Charaktereigenschaft. Ich weiß noch nicht mal, ob man es Charaktereigenschaft nennen kann, oder eher etwas wie eine ganz besondere Art von Stolz oder Selbstbewusstsein. Alle Vietnamesen, die ich bis jetzt kennen gelernt habe, zeigen diese bestimmte Eigenschaft auf und ich muss zugeben, dass ich auch jeden dafür beneide. Ich gebe euch mal ein paar Beispiele, damit ihr besser versteht, was ich meine.

Die Vietnamesen haben im Grunde kein oder wenig Schamgefühl, sie akzeptieren sich selbst und andere Menschen so wie sie sind. Wie schon mal in einem anderen Bericht erwähnt, schämen sie sich nicht dafür in aller Öffentlichkeit Sport auszuüben, obwohl sie ja da jeder sehen kann. Sie wissen, dass man Übung braucht und jeder macht anfangs Fehler. Sie schämen sich auch nicht beim Karaoke das Mikro zu übernehmen und nur darauf los zu singen. Sie wollen nur Spaß haben und wenn die anderen dann mit einem Lachen können, na dann umso besser. Sie schämen sich nicht dafür, dass sie in einer Bruchbude leben und einem Gast nicht viel anbieten können. Eher das Gegenteil ist der Fall. Sie gehen offen auf einen zu und bieten einem eben das an, was sie haben. Sie reagieren fast beleidigt, wenn man im Gegenzug sie einladen möchte. Ein richtig schönes Beispiel ist dafür auch Mr.Vy. Er akzeptiert alle Kinder, so wie sie sind. Für ihn macht es keinen Unterschied, wie gut oder schlecht sie sehen können, er möchte nur, dass alle gemeinsam Spaß haben und keiner auf der Strecke bleibt.

Dazu gehört auch, dass man sich selbst und auch die anderen wertschätzt. Man schätzt auch die kleinen Dinge, die man füreinander tut sehr. Z.B. war ich jetzt schon zum dritten Mal mit den Volontären bei den Krankenhäusern Essen verteilen und genauso wie vorher wurden wieder Bilder mit mir gemacht. Sie freuen sich einfach schon darüber, dass ich dabei bin und wenn ich dann auch noch mithelfen möchte, sind sie immer sehr begeistert und unterstützen das. Ähnlich ist es auch bei den Kindern. Ihnen ist es nicht so wichtig, ob ich jetzt eine Idee für ein neues Spiel habe oder was genau ich mit ihnen unternehme, sie freuen sich einfach alleine schon darüber, dass ich dabei bin und uns ist ja bis jetzt immer eine schöne Beschäftigung eingefallen.

Zu dieser besonderen Charaktereigenschaft gehört auch, dass Vietnamesen das was sie sich vornehmen durchsetzten, wobei sie sich nicht schnell beeinflussen lassen. Z.B. bin ich beeindruckt mit welcher Motivation und Geduld meine vietnamesischen Freunde den Kindern helfen. Viele der Volontäre haben aufgrund ihres Studiums und der Schule jede Menge um die Ohren und trotzdem finden sie immer wieder Zeit und Energie für die Kinder. Also wenn du was Gutes für blinde Kinder tun möchtest, dann legst du deine Lernsachen beiseite, trommelst deine Freunde zusammen, ihr plant etwas zusammen, ihr schwingt euch auf eure Motorräder und los geht es. Da gibt es keine Ausreden. Auf der einen Seite haben sie dieses Durchsetzungsvermögen, aber auf der anderen Seite vergessen sie nicht, aufeinander zu achten und sich gegenseitig zu helfen. Das ist mir auch bei meinem „Dreamteam“ im Heim aufgefallen. Wenn Hoa Giang herumführt, nimmt sie schon bestimmend seine Hand und geht etwas voraus. Wenn Giang dann aber was fragt oder ihr einfach etwas sagen möchte, bleibt sie sofort stehen und hört ihm zu. Bei Spielen konnte ich auch sehen, dass oft Hoa das Spiel bestimmt, wenn Giang dann aber alles richtig macht gibt es ab und zu ein Küsschen auf die Wange und er grinst dann ganz verlegen.

Obwohl sie diese Art von Charaktereigenschaft haben, heißt das nicht, dass sie zu 100% von sich selbst überzeugt sind und nicht auf andere hören. Sie sind sehr interessiert an der Meinung anderer und sie freuen sich ganz ehrlich über jedes Lob und jedes Kompliment. Z.B. rufen die Kinder während dem Malen oft kurz „Nora!“ und wollen dann meine Meinung zu ihren Bildern hören. Wenn ich dann (und das ist wirklich nicht gespielt) begeistert bin, grinsen sie ganz stolz und versuchen ihr Kunstwerk doch noch ein wenig aufzuhübschen. Ich schlage dann ab und zu eine weitere Farbe vor, die wird dann in Betracht gezogen und evtl. auch verwendet.

Sie wirken auch niemals arrogant oder überheblich – eher im Gegenteil, die Vietnamesen, die ich kennen gelernt habe, sind sehr bescheiden. Z.B. hat mich Nhung am Anfang direkt angesprochen und mir erklärt, dass sie mich gerne kennen lernen möchte und viel mit mir reden möchte, um ihr Englisch zu verbessern. Irgendwann entschuldigte sie sich dafür, dass sie so schlecht Englisch sprechen würde, aber sie habe es sich eben selbst beigebracht. Also wenn ich mir selbst ein so gutes Englisch beigebracht hätte, dann hätte ich mir das sofort (in Englisch natürlich) auf ein T-Shirt drucken lassen und würde das sofort jedem erzählen.

Es ist unklar, ob einen Geld glücklich macht oder nicht. Bei dieser beschriebenen Eigenschaft ist es aber glasklar, sie macht einen eindeutig glücklich. Sie hilft einem dabei, das eigene Leben zu genießen, den Alltag zu verschönern, das Leben anderer zu verbessern, Freunde zu finden und immer wieder zu lachen. Genau das erlebe ich hier und ich hoffe, es färbt ein wenig auf mich ab.

Ich muss allerdings hinzufügen, dass man natürlich nie eine Charaktereigenschaft oder Ähnliches fest mit einer Nationalität in Verbindung bringen kann. Ich bin mir sicher, dass es auch einige Vietnamesen gibt, auf die das jetzt Beschriebe nicht zutrifft, dafür aber auf Personen aus anderen Ländern. Das war jetzt nur so ein Eindruck, den ich bekommen habe.