„Du erklärst mir immer wieder, was erlaubt ist und was nicht
Lenkst mein Leben jeden Tag und bist furchtbar fürsorglich“ (Farin Urlaub – Lieber Staat)
Hallo meine lieben Freunde,
ich bin jetzt schon einen ganzen Monat in Kambodscha. Obwohl es mir viel kürzer vorkommt, habe ich schon so viel erlebt und vieles davon wird mich bis nach Deutschland verfolgen.
Ihr habt ja schon mitbekommen, dass ich ein großer Fan von Ordnung, Plänen und To-Do-Listen bin. Das heutige Thema meines Eintrags hat allerdings wenig damit zu tun. Hier geht es vielmehr um die Sicherheit. Besonders die Sicherheit von Kindern. Wenn man sich die Straßen Kambodschas ansieht lernt man schon viel über das Land und man kann sich ein ganz gutes Bild von den Problemen machen, denen sich auch unsere Schüler stellen müssen. Allerdings beziehe ich mich hier nur auf das von mir individuell Erlebte und damit natürlich nur auf den Bereich Kambodschas, den ich bereits gesehen habe.
No Tuk-Tuk today
Man merkt besonders in Phnom Penh City, wie unglaublich viele Touristen in Kambodscha sind und wie viele Kambodschaner finanziell anhängig vom Tourismus sind. Aus diesem Grund ist es ja auch so wichtig, dass die Schüler Sprachen, wie Englisch und auch Deutsch können. An sich ist das ja nichts schlechtes, die Frage ist nur in wie Fern beide Seiten davon profitieren. Wenn man sich die Straßen Phnom Penhs ansieht wird einem sofort die hohe Anzahl an Tuk-Tuks auffallen. Man sieht eigentlich nie einen Einheimischen alleine in einem Tuk-Tuk und wenn doch sind es normalerweise Freunde des Fahrers und er tut ihnen nur eben einen gefallen. Diese Tuk-Tuks repräsentieren also den Tourismus im Allgemeinen sehr gut. Als Tourist wird man auch von jedem Tuk-Tuk Fahrer angesprochen und es gibt mittlerweile T-Shirts mit der Aufschrift „No Tuk-Tuk today“. Wenn man sich entscheidet eins zu nehmen, dann wird knallhart ein Preis ausgehandelt. Uns Volontären ist an sich aufgefallen, wie viel sich hier um Geld dreht und darum so viel wie möglich zu verdienen. Das macht auch durchaus Sinn, da viele hier eine Familie zu ernähren haben und man dafür eben genug verdienen muss. Allerdings geht es nicht ausschließlich um die Familie. Vielen Kambodschaner ist es wichtig viel zu verdienen und Geld scheint immer ein Gesprächsthema zu sein. Sie haben ja auch die Lebensweise der „reichen Westler“ immer vor Augen und können sehen wie angenehmer es sich mit mehr Geld leben lässt. Einige gehen dann für mich moralisch fragwürdigen Weg ein. Man sieht in den Tuk-Tuks teilweise doch schon Kambodschaner, aber die sind dann mit Westlern unterwegs. Meistens handelt es sich um westliche Männer mit hübschen, jungen Kambodschanerinnen. (Natürlich gibt es auch junge, gutaussehende Kambodschaner die mit westlichen Frauen zusammen sind, das sieht man dann jedoch weniger.) Nicht alle dieser Kambodschanerinnen ziehen aus dieser Partnerschaft ein finanzielles Vorteil, es gibt durchaus viele internationale Partnerschaften hier, die aus Liebe entstehen, doch woran erkennt man den Unterschied? Wenn es sich um eine weniger aus Liebe entstandenen Partnerschaft handelt, handelt es sich dann um eine moderne Art der Prostitution? Ich werde das wohl nie herausfinden und um ehrlich zu sein, möchte ich damit auch nicht allzu viel zu tun haben. Ich habe einfach nur Mitleid, mit beiden Partnern.
Jetzt ist die Frage inwiefern hat das mit dem Schutz der Kinder zu tun. Es ist offensichtlich, dass so etwas nicht unbemerkt an den Kindern vorbei geht und viele übernehmen die Denkweise ihrer Eltern und teilen ihre Geldsorgen. Mir selbst ist oft aufgefallen, dass unsere Schüler neben den Klassenzimmern spielen. Natürlich habe ich damit kein Problem, ich freue mich immer bekannte Gesichter zu sehen und neue Spiele kennen zu lernen. Ein bestimmtes Spiel ist mir jedoch gleich aufgefallen, da die Kinder mit Geld spielen. Es wird ein Rechteck in den Sand gemalt, dann legt jeder Spieler Geld in dieses Rechteck. Nun ziehen sie ihre Schuhe aus und werfen sie so, dass das Geld aus dem Rechteck rutscht. Wer das schafft, darf den Geldschein behalten. Vielleicht übertreibe ich damit, dass ich das wie eine Vorstufe des Glücksspiels halte. Es macht mir jedoch Sorgen, da ich es aus meiner eigenen Kindheit nicht kenne (so ergeht es meinen Volontärkollegen ebenfalls) und mir die Zukunft dieser Art von Einstellung zu Geld ungewiss ist. Viel lieber sehe ich dann die Schüler beim Fußball-, Verstecken- oder Fangenspielen.
FSK 18
Wie bereits erwähnt geht es hier um den Schutz der Kinder und um Ordnung. Jetzt ist die Frage wie kommt das nun zusammen. Das kann man ebenfalls auf den Straßen Kambodschas erkennen. Es gibt in Kambodscha nämlich nicht so etwas wie eine Altersbeschränkung oder Volljährigkeit. Man sieht überall Kinder, bereits im Alter von 8 Jahren, mit Motorrädern fahren. Das ist kein Scherz und ihr könnt auch sicher denken, wie das dann ausgeht. Erst vor kurzen kamen 2 Schülerinnen (Schwestern) zu spät zum Unterricht. Einer der Schüler, der pünktlich war, erklärte mir, dass von der jüngeren Schülerin eine Freundin an diesem Tag aufgrund eines Motorradunfalles verstorben ist. Das Mädchen war mit einer weiteren Freundin auf dem Motorrad unterwegs und stieß mit einem LKW zusammen. Wie genau es zu diesem Unfall kam und wer inwiefern die Schuld trägt weiß ich nicht. Es spielt jedoch auch keine Rolle. Das Einzige, was eine Rolle spielt, ist, das jetzt zwei 16 Jahre alte Mädchen nicht mehr leben. Meine Schülerinnen hatten die beiden an diesem Tag am Morgen noch gesehen und haben mit ihnen gesprochen, gelacht und herumgealbert. Als wäre das nicht schon genug tauchen jede Menge Videos von der Unfallstelle im Internet in sozialen Netzwerken auf. Viele unserer Schüler nutzen diese sozialen Netzwerke und so konnte sich meine Schülerin gar nicht vor dem Anblick ihrer toten Freundin schützen. Ich rechne den beiden hoch an, dass sie trotzdem noch zum Unterricht erschienen sind und ihre Mitschüler sowie ich auch haben versucht sie so gut es ging abzulenken. Es gibt allerding noch in weiteren Bereichen keine Altersbeschränkung, z.B. was den Kauf von Alkohol belangt. Jedes Kind kann hier alle Arten von Alkohol legal kaufen. Jetzt bekommen die deutschen 15-jährigen evtl. leuchtende Augen. Es kann sich aber jeder das Ergebnis ausrechnen, wenn man Kinder, Motorräder und Alkohol zusammen zählt.
Not a lot of rules
Wir haben schon viel in der Conversation class besprochen und teilweise kommen wir dann etwas vom ursprünglichen Thema ab, was aber kein Problem ist, da es ja letztendlich nur darum geht, dass die Schüler Englisch sprechen. An einem Tag kamen wir dann zum Thema Regeln und Gesetze. Hier haben einige Schüler (zwar vorsichtig, aber mit einer eindeutigen Meinung) ihren Wunsch nach mehr Gesetzen und Regeln ausgesprochen. Ihnen ist die Gefahr also durchaus bewusst und sie wissen wo genau die Probleme liegen. Sie wissen aber auch, dass sie momentan noch nicht in der Lage sind etwas zu ändern und vielleicht wird sich das in der Zukunft auch nicht ändern. Das Einzige, was sie jetzt machen können ist, selbst keinen Alkohol zu konsumieren und vorsichtig zu fahren. Außerdem hilft ihnen der Unterricht von SCAO. Dadurch haben sie etwas zu tun in ihrer Freizeit und sie lernen noch was dabei. Zudem macht es Spaß und es lenkt von den Problemen ab. Ich wünsche unseren Schülern nur das Beste und hoffe, dass in nicht allzu ferner Zukunft sich in dieser Hinsicht etwas in Kambodscha verändert.