„Klar hab‘ ich Angst davor, dich wiederzusehen.
Doch nichts wünsch‘ ich mir mehr“ (die ärzte – Für uns)
Hallo meine lieben Freunde,
nun ist schon ein weiterer Monat vergangen und meine Abreise rückt immer näher. Es sind genau 34 Tage noch übrig (es waren mal 175!). Wir haben schon 4 andere Volontäre verabschiedet und jedes Mal stand ich daneben und bekam Angst vor meinem Abschied. Ihr fragt euch jetzt sicher warum ich genau Angst habe, denn ich sehe ja euch, meine lieben Freunde, wieder. Damit habt ihr zwar vollkommen Recht, aber genau davor habe ich auch Angst. Wenn man reist, verändert man sich und auch ich werde nicht als dieselbe Person zurück kehren. In meinem Fall war es eine sehr positive Veränderung und ich bin gespannt, wie ihr meine lieben Freunde darauf reagieren werdet.
Es scheint mir immer so unwirklich, dass ich ein halbes Jahr nicht zu Hause war und manchmal kann ich meine Heimkehr gar nicht mehr abwarten. Wenn ich mit meinen Volontärkollegen, die mittlerweile sehr gute Freunde geworden sind, Zeit verbringe, muss ich oft an meine Freunde in Deutschland denken. Ich wünsche mir dann immer, dass sie auch mitgekommen wären und auch alle diese unvergesslichen Erlebnisse mit mir geteilt hätten. Da das aber nicht möglich ist, möchte ich so gerne Vietnam, bzw. Kambodscha zu ihnen bringen. Ich habe jetzt schon an die 7000 (kein Scherz!) Bilder gemacht und es werden jeden Tag mehr. Ich fotografiere aber auch „belanglose“ Sache, wie mein Zimmer im Volontärhaus. Ich möchte einfach, dass meine Freunde sehen, wo ich so die letzten 6 Monate war und ich hoffe, dass sie wenigstens eine Idee davon bekommen, wie meine Reise war. Wir Volontäre reden oft miteinander über unsere Heimreise, besonders wenn wir andere Volontäre verabschieden müssen. Wir überlegen uns auch oft, ob unser zu Hause in Deutschland sich verändert hat, so wie wir auch, oder ob alles gleich geblieben ist. Ich habe von unterschiedlichen Volontären ganz unterschiedliche Erlebnisse gehört. Wir überlegen uns dann auch was wir zu Hause zu unseren Bildern dazu erzählen werden. Das ist gar nicht so einfach, da es so viel war und wir nicht wissen, wo wir anfangen sollen. Außerdem werden wir beim Erzählen an die schöne Zeit erinnert und wir bekommen dann Heimweh nach Vietnam bzw. Kambodscha. Ich schreibe absichtlich nicht Fernweh, sondern Heimweh, da beide Länder für mich ein Zuhause geworden sind.
Viele meine Volontärkollegen haben auch gesagt, dass sie gar nicht zu Hause von ihrer Reise erzählen möchten, da es ja schließlich deren eigene Reise war. Da habe ich mich gefragt, für wen wir eigentlich das Alles machen. Natürlich machen wir es auch für uns, da wir ja am meisten von der Reise haben. Wir sind die, die so viel erleben, so viele neue Eindrücke sammeln, neue Sprachen lernen, Freunde finden und uns entwickeln. Doch der große Unterschied ist, dass wir Volontäre sind. Wir reisen nicht einfach nur durch das Land und lassen uns verändern, wir verändern das Land ebenfalls. Wir wollen helfen, um wenigstens nur einen kleinen Teil zurückgeben zu können. Es schreiben ja viele meiner Volontärkollegen ebenfalls im Internet, um genau diesem Erzählen aus dem Weg zu gehen. So kann man ganz einfach nachlesen, was passiert und man selbst kann es ganz direkt schreiben, man muss nicht darauf warten, wieder zurück zu kehren.
„Wenn ich in deine Richtung gucke, wird mir wieder klar:
ich bin unsichtbar“ (Farin Urlaub – Unsichtbar)
Es gibt einiges auf das ich mich in Deutschland sehr freuen werde, dazu gehört Vollkornbrot, geregelter Straßenverkehr, kühleres Klima und etwas, was viel wichtiger ist – ich freue mich darauf, kein Ausländer mehr zu sein. In dem Stadtinneren fällt man weniger auf, da dort viele Backpacker und Touristen unterwegs sind, aber außerhalb ist man als Ausländer eher alleine. Ich wünsche mir, ich würde einfach nicht mehr auffallen. Man sieht es mir sofort an, dass ich nicht von hier komme und, dass ich anders bin. Es ist ein seltsames Gefühl und man wird es nie ganz los. Obwohl ich mich hier zwar wie zu Hause fühle und die Zeit sehr genossen habe, weiß ich, dass es niemals wie mein zu Hause in Deutschland sein wird. Vielleicht, wenn ich z.B. nach Kambodscha ziehen würde und dann wirklich für einen längeren Zeitraum hier leben würde, die Sprache sprechen könnte und mehr über Kultur, Tradition und Sitten wüsste, vielleicht, vielleicht, würde ich mich dann nicht mehr als ein Ausländer fühlen, aber das würde viel eine Weile dauern.
Mir selbst ist aufgefallen, wie ich im Laufe der Zeit meine eigenen Vorurteile aus dem Weg geräumt habe. Ich habe so viele Personen aus so vielen unterschiedlichen Ländern kennen gelernt und ich wurde immer wieder positiv überrascht. Ich bin sehr froh darüber, dass ich das lernen durfte und ich kann es kaum erwarten, das Gelernte in Deutschland anzuwenden. Ich werde versuchen, genauso gastfreundlich, offen und selbstverständlich meine Gäste empfangen, wie ich hier empfangen worden bin. Die Herkunft spielt dabei keine Rolle und das sollte sie auch nie. Ich bin mehr als froh, dass ich auf eine positive Art und Weise auffalle. In Vietnam, sowie auch in Kambodscha wurde ich willkommen geheißen. Menschen gingen auf mich zu, unterhielten sich mit mir, luden mich ein und waren freundlich zu mir. Ich habe dann aber immer überlegt, wie es wohl wäre, wenn es nicht so wäre.
Ich habe gelernt, dass ich nie in einem Land leben könne, das mich nicht will. Ich bin gerne ein Ausländer, aber nicht für immer und nur wenn ich willkommen bin.