„Mein Herz ist voll, doch jemand fehlt.
Ich hätt‘ dir gern noch so viel erzählt.
Traurig sein hat keinen Sinn.
Die Sonne scheint auch weiterhin.“ (Farin Urlaub – Sonne)
Hallo meine lieben Freunde,
der Tag ist gekommen, ich habe Vietnam verlassen und bin mittlerweile in Kambodscha. Jetzt habe ich mal Zeit gefunden die letzten kompletten 3 Monate noch mal gedanklich durchzugehen. Ich möchte ehrlich mit euch seine, liebe Freunde, es war nicht immer einfach für mich.
Anfangs war es am schwierigsten für mich, mich an sich erst ein Mal an die Situation zu gewöhnen. Ich reise sehr viel und war auch schon in Vietnam, aber natürlich nie alleine. Anfangs war ich vor allem auch eines – alleine. Meine Freunde und Verwandte waren auf einem anderen Kontinent und Kommunikation via Internet ist einfach nicht dasselbe. Jürgen und ich waren dann einen Tag mit den deutschen Touristen unterwegs, dann musste er mit genau denselben Touristen weiterreisen. Ha ist ebenfalls berufstätig und Maya war im Kindergarten. (Das verstehe ich auch vollkommen und das ist keine Kritik an der Familie.) Ich habe also alleine die Gegend erkundet, bis Jürgen den Kontakt zu Veronika hergestellt hatte. Sie führte mich dann durch die Straßen und zeigte mir einige gute Plätze.
Das Nächste, was für mich nicht einfach war, ist die Art und Weise wie Tiere behandelt werden. Ich persönlich habe kein Problem damit, dass Tiere getötet und gegessen werden. Zwar habe ich das, bevor ich nach Vietnam kam, nie mit eigenen Augen gesehen, aber es war trotzdem in Ordnung für mich. Ich verstehe auch, dass es Menschen gibt, die keine Empathie für Tiere haben. Allerdings bin ich davon natürlich weniger begeistert. Das habe ich leider öfter in Vietnam gesehen. Ich musste mich an viele kleine Sachen gewöhnen, die ich nicht kannte und die für mich teilweise bis heute unverständlich sind, z.B. Hochzeiten auf der Straße, dass der Tag für fast alle um 5:00 Uhr morgens beginnt und um 20:00 Uhr endet, die Wetterumschwünge, mit Stäbchen zu essen und der Straßenverkehr.
Die Arbeit im Heim lief auch anfangs nicht so glatt. Ich hatte gar keine Erfahrung bzgl. der Arbeit mit Kindern und erst Recht nicht mit blinden Kindern, mit denen ich keine gemeinsame Sprache teile. Die Kinder sind immer offen auf mich zugegangen und haben sich immer gefreut wenn ich da war, selbst wenn ich keine neue Idee mitgebracht habe. Doch wären die Österreicherinnen nicht gekommen, die mehr Erfahrung gehabt haben, ich hätte keine Ahnung gehabt, wie ich alleine mal anfangen sollte. Zu der Zeit kannte ich die vietnamesischen Volontäre noch nicht. Die lernte ich erst eine Woche, bevor die Österreicherinnen kamen kennen.
Mir ist bewusst, dass der Anfang immer schwer ist und ich habe nie erwartet, dass es einfach werden würde. Doch auch nachdem die Österreicherinnen wieder heimgekehrt sind, wurde es schwieriger für mich. Alleine alles vorzubereiten dauert länger und kostet mehr Energie. Letztendlich gingen mir auch die Ideen aus. Zudem wusste ich nie welche Kinder da sein werden, welche Altersgruppe und wie viele. Ich habe immer versucht einen Plan B für alle Möglichkeiten zu haben, was aber nicht wirklich umsetzbar war. Das war das schwierigste für mich. In Vietnam gibt es keine Pläne. Ich selbst mag Ordnung, Planung und To-Do-Listen sehr und mit der Spontanität und der Nachlässigkeit umzugehen war sehr schwer für mich.
Trotz alldem, meine lieben Freunde, kann ich euch sagen, diese 3 Monate waren die beste Zeit meines Lebens und ich kann es jedem empfehlen.
Was den Anfang sehr schnell verbessert hat, war die Art und Weise, wie ich aufgenommen wurde, von jedem. Jürgen und Familie war von Anfang an sehr nett und gastfreundlich. Obwohl sie wenig Zeit hatten, versuchten sie meinen Aufenthalt für mich so angenehm wie möglich zu machen. Für vieles nahmen sie sich dann auch Zeit, wie z.B. unsere Reise in den Norden oder die Weihnachtsfeier. Außerdem nahmen alle Vietnamesen mich sehr freundlich auf. Natürlich wurde man als Ausländer angestarrt und ich bin mir sicher, dass hinter meinem Rücken getuschelt wurde, aber ich wurde nie belästigt oder habe mich bedroht gefühlt. Es war mehr das Gegenteil der Fall, ich wurde sehr oft eingeladen und bekam jede Menge Komplimente. Außerdem galt ich immer als jemand ebenbürtiges und ich wurde respektiert.
Was jeden Tag besser lief war auch die Arbeit im Heim. Was mich während der letzten Woche am meisten überraschte war, dass sich alle bei mir bedankten. Ich frage mich wieso, da ich ja allen Grund hatte mich bei ihnen zu bedanken. Alle im Heim haben mich auf eine ganz besondere Weise verändert. Ich habe so viel gelernt, was ich wirklich im Leben gebrauchen kann und was ich auch an meine Freunde und Verwandte weiter geben werde. Ein Beispiel wäre dafür der unendliche Optimismus und die Lebensfreude, die von den Heimbewohnern und den Volontären ausgeht. Die Heimbewohner gehen trotz ihrer schweren Schicksale ihre Wege und lassen sich nicht einschüchtern, sie wollen Leben und sie haben Träume und Wünsche an deren Erfüllung sie fleißig arbeiten. Die Volontäre gehen jedes Wochenende zu Krankenhäusern und sehen wie schwer es andere Menschen haben und für einige davon wird es gesundheitlich keine Besserung geben. Doch anstatt das Schicksal dieser Menschen einfach zu akzeptieren und für sich selbst zu Sorgen, arbeiten sie zusammen und versuchen so viele Menschen wie möglich zu zeigen, dass sie ihnen nicht egal sind und, dass sie es verdient haben, dass sich jemand um sie kümmert. Selbst wenn dieser jemand zunächst noch ein Fremder ist.
Was mich ebenfalls beeindruckt hat und was ich versuche selbst öfter umzusetzen ist die Teamarbeit. Im Heim sowie auch bei den Volontären wurde niemand außen vor gelassen und wenn jemand Hilfe brauchte, dann gab es immer jemanden der sofort zur Stelle war. Es war auch keine Schande, jemanden um Hilfe zu bitten. Es wurde aber niemand zu etwas gezwungen, z.B. wollten einige nicht bei dem Beauty-Abend eine der Masken ausprobieren und das wurde auch akzeptiert. Akzeptanz und Toleranz sind zwei Wörter die unbedingt genannt werden müssen. Obwohl die Heimbewohner so unterschiedlich sind (von den Behinderungen, dem Alter, dem Charakter, der sozialen Herkunft…), wird keiner schlechter oder besser behandelt. Jeder wird so angenommen wie er ist und man versucht auch nicht auf biegen und brechen jemanden zu verändern. Es wird jeder in die Gruppe, die eigentlich schon mehr einer Familie gleicht, aufgenommen und man freut sich über jeden neuen Angehörigen.
Es wird immer klarer, dass ich mich bedanken muss, für diese schöne Zeit und für vieles mehr. Deshalb vielen lieben Dank für alles und ich hoffe, dass wir uns bald wieder sehen. Nun liebe Freunde, es ist schade, dass ich die Zeit nur durch meine Berichte mit euch teilen konnte. Ich will nicht zu Spenden aufrufen, nein ich will zum Reisen aufrufen. Schnappt euch den nächsten großen Koffer und macht euch auf den Weg nach Hai Duong. Ihr müsst nur darauf gefasst sein, dass ihr als eine ganz neue Person heimfahren werdet, doch das ist nur zu eurem besten. Glaubt mir, ich habe es selbst erlebt!