„Steh ich vor dem Spiegel,
schau ich in Alltagssorgen rein.
Und dann denk ich:
Ich wär ‚ so gern noch mal ein Kind,
ich wär ‚ so gern noch mal ein Kind.“ (die ärzte – wie ein Kind)

 

Hallo meine lieben Freunde,

ich hoffe ihr hatten einen schönen Nikolaustag. Meiner war auf jeden Fall sehr lang und anstrengend. Es hat sich aber schon gelohnt.

Unser Tag begann um 6:00 Uhr morgens, da wir mit Nga, Nhung und Freunden der beiden verabredet waren. Zusammen fuhren wir zu einer Schule, um dort bei dem Unterricht zu helfen. Das waren auf jeden Fall die Infos die ich (und auch Nga und Nhung) bekommen hatte. Letztendlich übernahmen wir komplett den Unterricht von 4 verschiedenen Klassen. Auch als wir erklärten, dass wir das nie im Leben könnten und wir ja keine Englischlehrer seine, wurde nur gesagt „Yes we know, just pretend to be a teacher“. Das lief auch viel besser als anfangs erwartet. Also meine lieben Englischlehrer, was ihr könnt, können wir schon lange :). Man muss aber dazu sagen, dass jeder von uns einen vietnamesischen Übersetzer (bei mir war das Nhung) dabei hatte und auch ein Englischlehrer die ganze Zeit von Klasse zu Klasse ging und sich das Ganze ansah. Camilla war mit ca. 20 Schülern, die alle so 12/13 Jahre alt waren, im Klassenraum. Kristina und Lisa waren mit ebenfalls ca. 20 Schülern draußen. Die waren aber alle zwischen 8 und 10 Jahren. Als Vorlage wurden ihnen nur Plakate mit Englischvokabeln (die wir teilweise selbst gar nicht kannten) in die Hand gedrückt und das war es eigentlich schon. Ich selbst hatte eine andere Klasse und bekam nur mit, dass Lisa und Kristina mit den Kindern u.a. „Head and shoulders…“ sangen. Das Lied ist es wie (R) Eis, das geht einfach immer 🙂 . Man muss dazu sagen, dass die Kinder eher auf dem Land leben und deshalb praktisch nie Ausländer zu Gesicht bekommen. Alle waren sehr aufgeragt und neugierig, blieben aber immer auf Sicherheitsabstand. Ich selbst wartete mit Nhung erst einmal 30 Minuten auf die Schüler. Dann trudelten die 6 Schüler so langsam ein. Alle waren zwischen 15 und 16 Jahren. Ich muss folglich zugeben, dass mein Job eindeutig der einfachste war. Außerdem waren die Schüler so schüchtern, dass sie nur wenig sprachen und sich gar nicht trauten näher als 3m an mich heran zu kommen. Ich erzählte ihnen einfach etwas über die deutsche Weihnachtstradition und eben auch, dass genau dieser Tag auch schon besonders ist. In Vietnam sind nur sehr wenige Menschen Christen und für die Meisten ist Weihnachten genauso wie jeder andere Tag. Nhung übersetzte dann für mich. Nach weiteren 30 Minuten war das dann auch vorbei und wir machten noch Gruppenfotos.

Der Englischlehrer lud uns dann als Dankeschön gleich zu sich nach Hause zum Mittagessen ein. Wir hatten vorher schon weitergegeben, dass wir alle kein Fleisch essen. Das wurde sofort berücksichtig und es ab jede Menge unterschiedliche vegetarische und super leckere Sachen zu essen. Abgesehen von dem Englischlehrer waren noch seine Kinder, seine Frau, sein Vater, sein Bruder und sein bester Freund anwesend. Die Erwachsenen waren unglaublich froh uns als Besuch zu haben und drückten mehrmals ihre Dankbarkeit aus. Der Lehrer stammte eigentlich aus einer Ärztefamilie, d.h. Großvater, Vater und Bruder sind alle Ärzte. Als die dann von meinem Wunsch hörten Medizin zu studieren, wollten sie auch gleich mit ihrer zukünftigen Fachkollegin anstoßen (für die Herren mit Schnaps für mich mit Tee). Zum Abschied wurde uns allen nochmal die Hand geschüttelt (immer mit beiden Händen, das zeigt großen Respekt) und mehrfach die Dankbarkeit ausgedrückt. Es hatte sich also doch schon gelohnt so früh aufzustehen. Für uns ist das zwar ein wenig Aufwand und das Unterrichten war sicher für meine Kolleginnen nicht sonderlich einfach, aber die strahlenden Gesichter der Kinder und die Dankbarkeit der Erwachsenen sind viel mehr wert, als die paar Augenringe und der Stress.

Mittags verbrachten wir die Zeit mit Vorbereitungen für die anstehende Weihnachtsfeier und zum Abendessen waren wir wieder in Jürgens Restaurant. Dort war schon Jürgen mit Familie und noch weitere Bekannte (darunter jede Menge Kinder) am Plätzchen backen. Jürgen hatte die Idee, dass der Nikolaus sich doch auch nach Vietnam verirren könnte und dann seiner Tochter und den anderen Kindern kleine Geschenkchen vorbei bringen könnte. Die Geschenkchen zu besorgen war für uns kein Problem, aber wo bekommt man jetzt jemanden hier in Vietnam her, der sich mit den europäischen Nikolausbrauch, auskennt? Ihr könnt euch sicher schon denken worauf das Ganze herauslief. Ich war ja den 3 Österreicherinnen ja im Grunde noch was schuldig (ich hatte ja das Treffen am Morgen eingefädelt und hatte dann am wenigsten Arbeit), also übernahm ich den Job als Nikolaus. Wir hatten am Mittag auch schon einen Bart dafür gebastelt und ein Kostüm war auch schon gekauft. Das durfte ich dann alles anziehen und die Kinder überraschen. Ich muss zugeben, dass ich am Anfang nicht sonderlich begeistert über diese Aufgabe war, da ich davon ausging, dass ich sofort erkannt werden würde und ich gar nicht genau wusste, was ich so sagen sollte. Als ich dann aber die Treppe runter ging und die Erwachsenen schmunzeln und die Kinder staunen sah, änderte sich meine Laune schlagartig. Jürgen hatte extra schon ein goldenes Buch vorbereitet, indem stand was seine Tochter und auch eine Freundin von ihr so über das ganze Jahr verteilt angestellt haben und was sie gut gemacht haben. Es waren nur Stichpunkte und ich durfte das dann (in Englisch, damit es jeder versteht) ausschmücken. Ich machte den Kindern natürlich mit den negativen Stichpunkten erst einmal Angst, dass sie keine Geschenke bekommen würden. Die Kinder hatten teilweise echt etwas Angst und waren dann ganz erleichtert, wenn sie doch ihre Orangen und Süßigkeiten bekamen. Die Angestellten von Jürgen bekamen auch etwas und wir machten ein Gruppenfoto zusammen. Am Ende wünschte ich allen noch einen schönen Abend, verließ das Restaurant und naja stand dann zunächst vor der Straße. Ihr hättet die Blicke der verwirrten Vietnamesen sehen sollen. Glücklicherweise gibt es ein Nebenzimmer rechts vom Eingang, da versteckte ich mich und zog mich dann um. Ich hätte nie gedacht, dass das so gut funktioniert. Vielen Dank auch an meine österreichischen Helferlein, die nicht nur beim Herrichten des Kostüms, Geschenke verteilen und Fotografieren geholfen haben, sondern auch zur Seite waren, wenn der Bart verrutschte.

An solchen Tagen wünsche ich mir dann doch, ich wäre ein wenig jünger und würde zu Hause einen Nikolaus empfangen, der Geschenkchen verteilt. Allerdings war es auch eine sehr schöne Erfahrung mal auf der anderen Seite zu sein, wer also für nächstes Jahr einen Nikolaus mieten will, der weiß jetzt wo er sich melden muss 🙂

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