„Wir haben nichts gesehen –
Wir haben nichts gehört –
Wir haben nichts gesagt
Denn es hat uns nichts gestört
Doch irgendwann bist du es dann
Der um Hilfe schreit
Dann bist du in der Minderheit!“ (die ärzte – Nichts gesehen)

 

Hallo meine lieben Freunde,

heute sind wir von Cao Bằng weiter gefahren nach Bắc Kạn. Auf dem Weg dorthin haben wir noch einen Zwischenstopp bei weiteren Bekannten von Jürgen eingelegt.

Das Ehepaar verdient ihren Lebensunterhalt mit der Herstellung von Honig. Das Besondere ist, dass sie die einzigen Personen sind, die noch sogenannten „Urwaldhonig“ herstellen. Das bedeutet, dass die Bienenvölker in einem Bereich leben, in dem noch unberührte Urwälder Vietnams sind. Dort wachsen auch ganz andere Pflanzen als z.B. in Deutschland und deshalb schmeckt der Honig auch ganz anders. Oft ist er mit Lotusblüte noch verfeinert und der Honig ist an sich viel flüssiger als der den man so aus dem Supermarkt kennt. Die beiden müssen wissen wann genau welche Blumen wo blühen und wie man dann den Honig erntet. Man muss bedenken, dass man dafür sehr weit durch felsige Abgründe gehen muss und sie verfügen nicht über die neuen Techniken, die Imker in Europa haben. Das Ehepaar war wieder unfassbar gastfreundschaftlich (ganz anders als deren Wachhund) und wir durften nicht nur Tee kosten, sondern auch eine kleine Honigprobe durchführen. Ich habe auch hier zum ersten Mal in meinem Leben Blütenpollen probiert. Meiner Meinung nach schmecken die ähnlich wie Gummibärchen. Wir sind froh, diese einzigartige Möglichkeit gehabt zu haben, das Ehepaar mit ihrem Honig kennen gelernt zu haben. Die beiden sind auch nicht mehr die Jüngsten und wenn die beiden Mal nicht mehr sind, dann wird auch der Urwaldhonig nicht mehr sein.

 

Das waren aber nicht die einzigen Bekannten, die wir besucht haben. Wir besuchten zwei Geschwister, die mit ihrem Vater und ihren Großeltern zusammen leben. Die Mutter ist leider vor einigen Jahren verstorben. Die Geschwister sind genauso wie die Kinder im Heim von Agent Orange Folgen betroffen. Die Tochter kann noch mit Krücken ein wenig gehen und sie ist geistig nicht betroffen, ihr Bruder jedoch braucht einen Rollstuhl und ist auch geistig beeinträchtigt. Ich schreibe absichtlich, ihr Bruder BRAUCHT einen Rollstuhl, da man den Plastikstuhl mit Rollen unten dran nicht wirklich einen Rollstuhl nennen kann. Beide haben sich aber sehr über die Süßigkeiten und das Banh Nho gefreut, das wir ihnen mitgebracht haben. Das Leben dieser Familie war früher sogar noch schwieriger als heute. Die Kinder waren zwar bekannt und man hat sie oft draußen im Hof gesehen, aber abgesehen von der eigenen Familie hat sich niemand um sie gekümmert. Als dann aber Europäer aufmerksam auf die beiden wurden und sie öfter besuchten (Jürgen macht hier, wenn er mit Kunden unterwegs ist auch immer halt) weckte das auch das Interesse der Menschen in der Umgebung. Sie scheinen dadurch verstanden zu haben, dass man nicht wegsehen sollte, sondern helfen. Jetzt ist die Familie in die Gesellschaft integriert und ihr Alltag wird dadurch wenigstens ein bisschen einfacher.

Für uns ging es dann weiter und zwar mit dem Boot über den Ba Bể See (bereits Provinz Bắc Kạn). Es war ein krasser Gegensatz zu dem davor erlebten. Erst trifft man auf zwei Kinder, deren Leben alles andere als einfach ist und man wird eher ernst und nachdenklich und kurz darauf tuckert man mit einem Motorboot an den atemberaubendsten Wäldern vorbei. Es hat mich sehr an Südamerika erinnert, da wir auch oft mit Motorbooten unterwegs waren und die Umgebung glich auch irgendwie den Regenwäldern. Wir genossen den leichten Luftzug, die Bewegungen des Bootes und auch vor allem die Ruhe. Wir hielten dann kurz an der Puong Cave und haben uns diese dann angesehen. Das ist ja dann (ähnlich wie bei den Märkten) schon meine sonst wievielte Höhle, die ich mir in Vietnam angesehen habe, aber sie war doch wieder anders. Diesmal wurde sie nicht mit irgendwelchen Lichtern angeschienen, was aber auch gar nicht nötig war, da das Wasser sie schon sehr grün gefärbt hat. Das sah ähnlich auch wie Moos, aber kuschelig war es trotzdem nicht. Das lag hauptsächlich an den Lärm, den die Fledermäuse gemacht haben. Das waren aber nicht die einzigen niedlichen Tierchen, die wir an dem Tag gesehen haben. Vom Boot aus konnten wir auch eine Wasserschlange sehen. Leider habe ich kein Bild davon, da ich so perplex und fasziniert war, dass ich ganz vergaß sie zu fotografieren (sorry). Wir haben uns dann noch den Dau Dang Waterfall angesehen, der auch wieder ganz anders war, als der den wir den Tag zuvor gesehen haben. Hier waren zwar auch einige Touristen unterwegs, aber viel weniger und er war viel kleiner. Um zu ihm zu gelangen, musste man erst ein Stück durch den Wald laufen. Das hat mir auch sehr gefallen, da man da nochmal viel Näher sich bestimmte Pflanzen ansehen kann und man mehr Zeit hat, als auf dem Boot.

Abends sind wir dann in dem Homestay angekommen. Wir wurden zum ich weiß nicht wievielten Mal (hey, das ist ja auch wie die Märkte und die Höhlen) herzlich empfangen und wir fühlten uns gleich wie zu Hause. Nach einer erholsamen Nacht ging es dann am nächsten Tag gleich weiter.

 

 

„Ich sag euch: Nee, nee, nee,

da trink ich doch lieber Tee“ (die ärzte – Lieber Tee)

Die letzte Etappe unserer Reise war Thái Nguyên. Thái Nguyên ist wieder für eine besondere Spezialität bekannt, die es so euch nur dort gibt. Diese Sache ist ähnlich wie der Reis, es gibt sie überall und immer – der Tee. Wir durften uns dann auch gleich Mal die Teefelder ansehen und uns wurde erklärt, wie genau Tee hergestellt wird. Das ist auch wieder eine Heidenarbeit, ich verstehe nicht, wie man Tag für Tag das aushält. Man muss sich praktisch um jedes Büschchen einzeln kümmern und davon gibt es sehr viele. Dann muss man sie mit Netzen vor der Sonne schützen, sie bewässern und umpflanzen. Letztendlich dauert es ganze 5 Jahre, bis der erste Tee aus den Blättern hergestellt werden kann. Dann kommen aber noch Schädlinge, wie z.B. die Pflanze „Engelshaar“ dazu, die zerstören dann auch noch die Ernte. Anstatt sich über so etwas aufzuregen oder zu verzweifel, wurden wir zu einer Teeverkostung eingeladen. Die war auch mindestens genauso einzigartig wie die Honigverkostung am Tag davor, da wir nicht nur den fertig getrockneten Tee kosten durften, sondern auch den, der mit den frisch geernteten Blättern aufgebrüht wird. Der getrocknete Tee schmeckt sehr bitter und herb, der frische aber eher süßlich und nicht so intensiv. Von dem fertigen Tee habe ich mir gleich eine große Tüte mitgeben lassen, leider geht das mit dem frischen nicht, da dieser nur ca. 30 Minuten gut ist, weil er eben nicht getrocknet ist. Das ist zwar schade, aber ich habe mit der Packung sicher genug Tee für den Rest meines Lebens. Natürlich bekam ich sie auch gleich geschenkt. Fast hätten wir sogar noch mehr geschenkt bekommen. Die Hündin der Familie hat nämlich erst vor kurzem Babys bekommen und weil es so viele sind haben sie uns gleich 2 angeboten. Die hätte ich gerne auch gleich eingepackt – z.B. als ein Weihnachtsgeschenk für meine Eltern. Die hätten sich sicher besonders gefreut 🙂

So dann war unsere 4 Tages Tour auch schon wieder vorbei und wir sind wieder zurück in Hai Du’o’ng. Als wir dann am Tag darauf bei den Kindern vorbei schauten waren die sogar noch begeisterter als sonst. So’n konnte gar nicht schnell genug in den Kreativraum kommen und zog mich am Arm die Treppe hoch, als ich dann die Tür nicht schnell genug aufbekam, nahm er mir den Schlüssel aus der Hand und machte selbst auf. Anscheinend haben sie uns genauso vermisst, wie wir sie.